Die vier Rosen des kleinen Hirschs
Jagderlebnisse mit einem Hirsch
Heiko und Grit berichten hier über ihre Jagderlebnisse. So kam es, dass ein kleiner Hirsch mit vier Rosen auf der Strecke lag.
Mit unseren Jagdschülern aus dem Oktoberkurs hatten wir ein besonderes Erlebnis in der ausklingenden Brunft. Wir konnten einen abnormen Hirsch zur Strecke bringen, welcher durch einen Rosenstockbruch vier Rosen ausgebildet hatte.
Gemeinsamer Abendansitz
Sonntag 03.10.2021 – 18:00 Uhr. Wir sitzen gemeinsam mit unseren Jagdschülern bei einem abendlichen Ansitz und lauschen den Brunftschreien der Hirsche.
Tatsächlich ist unser Plan einen kleinen oder schwachen Geweihten zu erlegen und unseren Jagdschülerinnen und Jagdschülern zu erklären, welche Arbeiten nach dem Schuss erledigt werden müssen. Ihnen eine praktische Einführung in die Anatomie der inneren Organe und die Untersuchung auf Wildkrankheiten zu geben.
Zu warm für die Brunft
Aber es ist immer noch zu warm. In den kühlen Feuchtgebieten des Erlenbruchs können wir sie zwar hören, aber auf den ausgedehnten Wiesen um uns herum lässt sich kein Hirsch blicken. Es wird langsam dunkel.
Doch plötzlich, noch im letzten Büchsenlicht steckt ein kleiner Hirsch sein Haupt aus dem Schilf. Ich versuche die Enden zu prüfen, Krone oder Gabel? Schwer zu sagen, ich sehe rechts eine kleine Krone leuchten, aber links? Nur ein einzelner Spieß oder täuscht das Schilf im Hintergrund?
Zu dunkel zum Ansprechen
Ich kann den Hirsch nicht mehr richtig ansprechen, deshalb lasse ich ihn ziehen.
Und siehe da, er war nur die Vorhut. Nach und nach ziehen mehrere Rudel über die Wiese in Richtung Wald. Deshalb warten wir gemeinsam ab, bis auch das letzte Rudel in die sichere Deckung des Waldes eingetaucht ist, bevor wir wieder abbaumen.
Beim anschließenden Lagerfeuer auf unserem Hof berichten alle welchen Anblick sie an diesem Abend hatten. Meine Freundin Grit hat den kleinen Hirsch auch gesehen und hatte ebenfalls das Gefühl, dass mit der linken Stange etwas nicht stimmt. Ich bin neugierig, deshalb will ich mir den Burschen noch einmal etwas genauer anschauen. Morgen früh, wenn die Rudel wieder zurück in ihren Einstand ziehen.
Der nächste Morgen
Montag 04.10.2021 – 05:00 Uhr. Nicht meine Zeit, aber man muss versuchen sich zwischen dem zurückziehenden Rotwild und seinem Tageseinstand zu platzieren, ohne es auf ihrem Weg dorthin zu überraschen. Deshalb heißt es früh aufstehen und Posten beziehen. Meine schwer zugängliche Kanzel liegt auf einer kleinen Lichtung zwischen Erlenbruch und Schilfgürtel. Eine sichere Nummer, denn hier zieht das Rotwild so vertraut wie sonst nirgendwo in meinem Revier. Hier ist es 360 Tage im Jahr ungestört. Nur zur Brunft komme ich manchmal hierher und das zahlt sich aus.
Rückkehr in den Tageseinstand
Knapp zwei Stunden dämmere ich vor mich hin und lausche angestrengt in das Dunkel hinein. Da kommt was. Ein kleines Rudel, zwei Alttiere zwei Kälber, ein Schmaltier – und ein kleiner Hirsch mit einer merkwürdigen linken Stange. Sie wirkt wie abgebrochen, pendelt aber nicht. Nun zögere ich nicht mehr lange und meine .30-06 verlässt den Lauf. Der Hirsch springt ab und verschwindet im Dickicht des Schilfgürtels.
Unser Jagdhund Greif – Feldmann vom Herthasee
Noch bevor ich abbaume, um den Anschuss auf Pirschzeichen zu prüfen, rufe ich Grit an und bitte sie Pick-Up und Hund zu bringen und unsere Jagdschüler von der Schule ins Revier umzulenken. So können wir unseren Plan von gestern Abend heute Morgen umsetzen. Bis allerdings unsere Schüler hier im Revier eintreffen wird noch etwa eine Stunde vergehen.
Unser Deutsch Drahthaar Greif – geborener Feldmann vom Herthasee – befindet sich noch in der Ausbildung zum Jagdgebrauchshund. Diese Gelegenheit zum Üben dürfen wir nicht ungenutzt lassen deshalb wird er am Anschuss auf die Fährte des Hirsches gesetzt. Aber er ist einfach zu aufgeregt und springt vor lauter Freude über den morgendlichen Ausflug im Kreis wie ein Gummiball.
Ein abnormer Hirsch liegt auf der Strecke
Grits Nase funktioniert dagegen einwandfrei. Schon am Anschuss bemerkt sie den intensiven typischen Geruch eines Brunfthirsches. Sie folgt der Schweißfährte und der Duftwolke direkt ins dichte Schilf und braucht keine 15 Meter zu gehen. Da liegt der Bursche mit einem sauberen Blattschuss im Wundbett.
Jetzt hilft nur die Kraft des Allradantriebs, der Hirsch wird ans Abschleppseil gelegt und langsam aus dem Schilf auf die Lichtung zurückgezogen. An einer trocknen und sauberen Stelle wird er vom Haken gelassen und wir haben etwas Zeit uns seine linke Geweihstange genauer anzusehen.
Verletzung des Rosenstocks durch Verkehrsunfall
Der Rosenstock scheint am Stirnbein gebrochen zu sein. Er zeigt nicht mehr senkrecht nach oben sondern direkt nach links. Da der Hirsch aber bereits ein neues Geweih gebildet hatte, muss dieser Unfall schon im vergangenen Jahr geschehen sein. Wir gehen von einem Verkehrsunfall aus, solche Verletzungen sind typisch für eine Kollision im Straßenverkehr.
Die jetzt im nahezu rechten Winkel nach links wachsende Stange hat den jungen Hirsch wahrscheinlich stark beeinträchtigt. Noch während der Kolbenzeit ist er mit seiner merkwürdigen Auslage mindestens einmal gegen ein Hindernis gestoßen und hat sich dabei das noch weiche Stangenende im Bast verletzt. Ungeziefer und Bakterien konnten in die offene Wunde eindringen und haben das Ende zu einem moderigen, schwarzen Stumpf werden lassen. Dieses Stangenende konnten wir beide in der abendlichen Dämmerung gar nicht erkennen.
Praktischer Unterricht für unsere Jagdschüler
Inzwischen sind unsere Jagdschüler im Revier eingetroffen. Sie erleben, wie man einen Hirsch im Revier sauber aufbricht und lernen dabei gleich noch etwas über den Geweihaufbau bei Rot- und Rehwild. Sie lernen, wie sich das Geweih bei verschiedenen Arten von Verletzungen entwickelt und prüfen die inneren Organe auf bedenkliche Merkmale. Unser kleiner Hirsch hier ist aber gesund. Zur Altersbestimmung schauen wir uns den Unterkiefer genauer an aber eigentlich ist allen hier klar dieser Hirsch war noch sehr jung. Zu jung und er hätte vielleicht ein toller Kronenhirsch werden können. Warum liegt er dann trotzdem auf der Strecke?
Ist ein Rosenstockbruch immer ein Erlegungsgrund?
Ein gebrochener Rosenstock sagt noch nichts über Gesundheit und Vitalität aus, zumal der Hirsch einen sehr gesunden Eindruck machte und in seinem zarten Alter immerhin auch schon drei Damen im Schlepptau hatte. Die vermoderte Stange wäre im nächsten Frühjahr abgefallen und unser Hirsch hätte ein neues gesundes Geweih geschoben aber eben wieder im rechten Winkel und wieder mit der Gefahr sich zu verletzen.
In diesem Jahr waren keine großen Hirsche im Revier da hatte er leichtes Spiel mit den Damen, aber im nächsten Jahr kann das schon anders aussehen. Mit einer horizontal wachsenden und verletzten Stange, würde er während der Brunft ordentlich die Jacke voll bekommen und das Verletzungsrisiko im Kampf mit einem Rivalen steigt um ein Vielfaches.
Ein Geweih mit vier Rosen ist eine Seltenheit
Für mich ist dieser Hirsch etwas ganz Besonderes und ein tolles Anschauungsmaterial für unsere künftigen Jagdschülerinnen und Jagdschüler. Denn nur eine Verletzung des Rosenstocks kann ein echtes Mehrstangengeweih hervorrufen. Nachdem die Präparation abgeschlossen war und Schädel mit Geweih sauber vor uns auf dem Tisch lagen, konnten wir sie sehen – Die vier Rosen des kleinen Hirschs.
Interessante Links
Etwa zwei Wochen später hatte ich ein anderes interessantes Erlebnis mit einem abnormen Keiler. Auch dieser hatte eine schwere Verletzung auskuriert.
Wollt ihr die beiden Abnormen kennen lernen und verstehen wie man Wild richtig anspricht oder wie man das Alter korrekt bestimmt? Dann bucht doch einfach direkt einen unserer nächsten Jagdscheinkurse an unserer Jagdschule.