Mein abnormer Keiler

Abendansitz an der Kirrung

Heiko und Grit berichten hier über ihre Jagderlebnisse. Dieser Artikel hat es sogar als Gastbeitrag in die Jägerzeitschrift gebracht.

So kam es, dass mein abnormer Keiler auf der Strecke lag.

Donnerstag 14.10.2021 – 18:00 Uhr. Endlich ist es etwas kühler geworden. Die Brunft war in diesem Jahr eher gemäßigt, wahrscheinlich wegen des ungewöhnlich warmen Septembers. Trotzdem ist es immer wieder beeindruckend in den Abendstunden den röhrenden Hirschen zuzuhören in der Hoffnung einen dieser beeindruckenden Geweihten vor die Linse zu bekommen. Auch jetzt röhrt im Wald gegenüber ein einzelner Hirsch – und er kommt dichter.

Besuch von einem jungen Hirsch

Wenig später ist es dann auch endlich soweit. Aus dem Dickicht schreitet ein mittelalter Hirsch mit kräftigem Geweih und beidseitiger Krone. Zu jung, zu gut veranlagt, bleib gesund und pass auf dich auf. Irgendwie scheint er zu wissen, dass er vor meiner Kugel sicher ist. Jedenfalls lässt er sich, knapp 30 Meter vor mir, reichlich Zeit seine Umgebung zu inspizieren um nach Bräuten oder Konkurrenz Ausschau zu halten. Aber sowohl Kahlwild, als auch weitere Hirsche lassen sich nicht auf der Wiese blicken.
Langsam verlässt er die Bühne und ich lenke meine Aufmerksamkeit wieder auf die Kirrung – mein eigentliches Ziel für heute Abend.

Verpasste Gelegenheit

Gerade erkenne ich noch den Schwarzkittel, der in diesem Augenblick wieder im Dickicht verschwindet. Mit meiner sehr geringen Vergrößerung spreche ich ihn als kräftigen Überläufer an. Keine Ahnung allerdings, ob Bache oder Keiler. Schade, da habe ich mich wohl zu lange vom Hirsch ablenken lassen.
Es wird frisch und ich überlege ob ich meine Zelte abbreche. Durch die letzten warmen Wochen bin ich nicht gut vorbereitet und der aufziehende kalte Wind kriecht mir unter die Jacke.

Diana ist mir wohlgesonnen

Plötzlich ein lautes Knacken und der Bursche ist wieder da – ohne Begleitung. Jetzt zögere ich nicht lange und lasse die Kugel fliegen. Ganz sicher bin ich mir, dass ich gut abgekommen bin, direkt aufs Blatt, der geht nicht mehr weit. Trotzdem springt er ab und ich warte ein paar Minuten bevor ich abbaume um den Anschuss zu kontrollieren.

Kein Ausschuss, kein Schweiß und inzwischen ist es recht dunkel geworden, deswegen entscheide ich die nähere Umgebung nur kurz mit dem Hund abzusuchen und habe Glück. Nur wenige Meter entfernt liegt ein riesen Bär im Gebüsch.

 

Die Bache hat nen Pinsel

Ich traue meinen Augen kaum, die Bache ist deutlich größer, als der Blick durch mein Zielfernrohr erwarten lies und sie hat einen Pinsel !
Bei näherer Untersuchung stellt sich heraus, es ist ein Keiler ohne Gewehre mit einem ungewöhnlich langen Schädel. Später hängt der Basse aufgebrochen an der Waage und bringt stolze 101 kg zur Anzeige. Erste grobe Vermutung ca. 5 Jahre, der Abschliff der Haderer hilft allerdings nicht bei der Altersschätzung. Sie sind riesig und nahezu ungeschliffen. Wollt Ihr lernen wie man das Alter unserer Schalenwildarten schätzt? Dann bucht doch einfach direkt den nächsten Jagdscheinkurs in unserer Jagdschule.

Abnormer Keiler ohne Gewehre

Am nächsten Tag betreiben meine Freundin und ich Ursachenforschung. Grit ahnt schon, dass hier ein perfektes Anschauungsmaterial für unsere Jagdschule zu präparieren ist. Sowohl die teppichgroße Schwarte, als auch der Schädel werden sorgsam aufbereitet.
Schon vor dem Abkochen kann man am Unterkiefer gut erkennen, dass unser Bursche hier in seiner Jugend eine schwere Verletzung auskuriert haben muss. Die Fehlstellung der Schneidezähne und die fehlenden Gewehre deuten darauf hin.

 

Unfall oder Gebrechschuss?

Letzteres würde uns besonders ärgern, obwohl seine über 100 Kilo nicht auf Probleme bei der Nahrungsaufnahme hindeuten.
Zwei weitere Tage später liegen die fertig präparierten Ober- und Unterkiefer vor uns. Die verheilte Bruchstelle im Unterkiefer ist ganz deutlich zu erkennen, während der Oberkiefer komplett unbeschädigt ist.
Da die Breite des deformierten Unterkiefers zur genauen Altersbestimmung ebenfalls nicht herangezogen werden kann, bleibt nur der Abschliff der Molaren. M1 glatt geschliffen, M2 angeschliffen. Durch die schiefe Stellung des Unterkiefers ist der linke obere Eckzahn sehr stark abgeschliffen, während der Rechte normal abgenutzt ist.
Wir bleiben bei unserer ersten Schätzung, der Keiler war jetzt ca. 5-6 Jahre alt und unsere Befürchtung, dass seine Verletzung durch einen unsauberen Schuss verursacht wurde hat sich leider bestätigt. Vermutlich war er damals 1,5 – 2 Jahre alt.

Respekt für diesen abnormen Keiler

Allergrößten Respekt, was dieser Keiler wegstecken konnte, die Verletzung muss enorm gewesen sein und ihn lange gequält haben, trotzdem hat er sich offenbar davon erholt.
Das bilderbuchmäßig aufgepilzte Geschoss meiner .30-06 steckte übrigens noch in der 2 cm dicken Schwarte und wird mich für immer an diesen besonderen abnormen Keiler erinnern.
Sein Schädel soll unsere künftigen Jagdschülerinnen und Jagdschüler lehren, dass der Finger gerade bleibt, wenn kein sauberer Schuss möglich ist.

Was haltet Ihr davon ?

Wir haben uns mit unserer Altersschätzung und mit der Ursache der Verletzung festgelegt und diese begründet. Alledings sind wir dafür keine Spezialisten. Dieser Schwarzkittel hier ist auch der erste Abnorme, den wir auf der Strecke zu liegen hatten. Uns fehlt also der Vergleich. Mein abnormer Keiler ist der erste von vielen Beiträgen die hoffentlich noch folgen werden.

Weitere Jagderlebnisse

Etwa zwei Wochen zuvor lag ein junger Hirsch mit vier Rosen auf der Strecke, was sich dahinter verbirgt erfahrt ihr im Artikel – Die vier Rosen.